Als Reaktion auf die ökologische Krise ist seit den 1970er Jahren die holistische Umweltethik entstanden. Diese schreibt nicht nur Menschen, sondern auch allen anderen belebten und unbelebten Naturwesen sowie Gesamtsystemen wie Arten und Ökosystemen einen Eigenwert bzw. moralischen Status zu. Ein häufig geäußerter Einspruch gegenüber dieser weitreichenden ethischen Konzeption lautet, dass sie das handelnde Individuum moralisch überfordere. Wenn es schon der anthropozentrischen Ethik nur in unzureichendem Maße gelänge, die Menschen zugunsten ihresgleichen und späterer Generationen von der Notwendigkeit eines rücksichtsvolleren Umgangs mit der Natur zu überzeugen, wie solle dies dann einer holistischen Ethik mit ihrer noch viel größeren Moralgemeinschaft möglich sein?

In meiner Dissertation versuche ich diesen Einwand zu entkräften, indem ich die deontologische und konsequenzialistische Ebene der holistischen Ethik durch eine tugendethische Komponente ergänze. Aufgabe dieses „dritten Standbeines“ soll es sein, den Holismus an das aufgeklärte menschliche Selbstinteresse anzubinden und so die spezifischen Motivationsprobleme dieser Konzeption zumindest bis zu einem gewissen Grad zu lösen. Dabei lautet meine zentrale Arbeitshypothese: „Das genügsame und respektvolle Leben gegenüber der natürlichen Mitwelt kann zugleich auch das glücklichere sein.“

Um diese These zu untermauern, wird sich die Arbeit neben klassischen tugendethischen Ansätzen und der modernen Umwelttugendethik insbesondere mit dem Verhältnis von Genügsamkeit und Glück in der Geschichte der Philosophie sowie mit den Ergebnissen der modernen Suffizienz- und Glücksforschung auseinandersetzen. Dabei werde ich nicht umhinkommen, auch die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen des menschlichen Umgangs mit der Natur mit zu reflektieren. Tugendethische Appelle an das Individuum werden so lange nur wenig bewirken, wie ihnen ein auf unbegrenztes Wachstum und Konsum fixiertes politisch-ökonomisches System entgegensteht.